Im 2. Teil geht Herr Meiwes auf die positiven und negativen Dinge des Gefängnislebens ein.

 

 

Interview mit Armin Meiwes (2. Teil)

 

Herr Meiwes, Sie haben vor kurzem über Ihre Freundschaften und die üblichen Abläufe im Gefängnis berichtet. Heute möchte ich Sie einige andere Dinge fragen. Durch die ausgesprochen lange Gefängnisstrafe, zu der Sie während der Revisionsverhandlung verurteilt worden sind, wurden Sie aus Ihrem Umfeld gerissen. Sie wurden erstaunlicherweise nicht wegen „Totschlag“ oder „Tötung auf Verlangen“ sondern wegen „Mordes“ und „Störung der Totenruhe“ verurteilt. Sicherlich fehlen Ihnen hier im Gefängnis einige Dinge besonders. Was fehlt Ihnen am meisten?

 

Armin Meiwes: Zum einen habe ich fürchterliches Heimweh, ich hänge sehr an Wüstefeld. Das Haus, die Möbel, die großzügige Aufteilung der Räume, meinen Wintergarten mit einem herrlichen Blick in den Garten und die freie Natur von Wüstefeld.

Hauptsächlich vermisse ich meine Badewanne, in der man richtig entspannen kann. Eine Badewanne mit Überlänge! Das Duschen hier mag zur täglichen Körperpflege zwar nützlich sein, ist aber nichts zur Entspannung und auch nicht zur gründlichen Reinigung.

 

Herr Meiwes, gibt es positive Dinge in der JVA?

 

Da gibt es viele Dinge. Ein Gefängnis ist wichtig und so lange es Menschen gibt, wird es auch Gefängnisse geben. Ich wünsche zwar niemandem, dass er länger als nötig eingesperrt ist, aber dazu ist ein Gefängnis nun einmal da. Gerade hier im Haus sind die unterschiedlichsten Straftäter, vom Schwarzfahrer über Junkies, Vergewaltiger bis hin zu mehrfachen Mördern. Durch diese unterschiedlichsten Menschen verschiedener Religionen und Weltanschauungen, kann man sich hier eine Menschenkenntnis aneignen, wie wohl sonst nirgendwo auf der Welt.

 

Trotz dieser Unterschiedlichkeiten der Personen, gibt es untereinander einen Zusammenhalt und Nächstenliebe, wie man sie außerhalb dieser Mauern kaum noch kennt, da sich meist jeder selbst der Nächste ist. Hier ist man auf den anderen angewiesen. Wer nichts hat, bekommt es von dem, der es hat. Es wird brüderlich geteilt.

 

Weiterhin liebe ich den Baustil hier in der JVA. Das Gebäude ist im so genannten „Panoptischen Stil“ errichtet. Das heißt, sternförmig gebaut, so dass man von einem zentralen Punkt aus das ganze Gefängnis einsehen kann. Viele der älteren Gefängnisse, die etwa 130 Jahre alt sind, wurden in diesem Stil gebaut. Der Eingang war hier früher wesentlich mächtiger und wirkte Ehrfurcht einflößender als heute. An der Außenpforte waren rechts und links Türme gewesen, die im Krieg beschädigt oder zerstört wurden. Auch das Verwaltungsgebäude war früher wesentlich schöner, im Baustil ähnlich einer Kathedrale. Man hat den Eindruck dass dieses alte Gebäude mit seinen langen Fluren und Treppen „lebt“ – von und mit seinen Gefangenen und den Menschen, die hier arbeiten. Die Ausstrahlung, die dieses Gebäude hat, ist einfach enorm. Der moderne Gefängnisbau, zum Beispiel Weiterstadt, ist einfach nur ein toter Betonklotz. Außen hui und innen pfui! Unpersönlich, kalt und für Gefangene und Bedienstete unpraktisch gebaut. Der Architekt, der Weiterstadt entworfen hat, hat wahrscheinlich zuvor noch nie ein Gefängnis gesehen. Insbesondere die Außenanlagen und Freistundenhöfe sind für die Bedürfnisse der Gefangenen nahezu ungeeignet.

Hier ist zwar alles alt, aber praktisch, durchdacht und bewährt. Heute sind hier auch die meisten Zellen Einzelzellen. 2002 war es noch so, dass auf diesen 8 ½ Quadratmetern zwei Häftlinge waren, das war zum Teil unangenehm und menschenunwürdig. Diese Form der Belegung wurde 2003 durch den Europäischen Gerichtshof dann auch untersagt.

 

Was missfällt Ihnen hier im Gefängnis besonders Herr Meiwes?

 

Wenn es Positives gibt, gibt es natürlich auch Negatives.

Wie bei jeder Verwaltung, regiert hier auch die Bürokratie. Zum Teil sind die bürokratischen Hürden hier so eingefahren, dass eine Abweichung nach rechts oder links nicht möglich ist. Die einfachsten Dinge erfordern einen so hohen Aufwand, dass es schon nicht mehr normal ist. Erledigungen, die in fünf Minuten abgehandelt werden könnten, dauern hier zum Teil 14 Tage oder drei Wochen. Aber dennoch funktioniert das System. Hinter diesen Mauern herrschen eigene Gesetze und Regeln, die Außenstehende nur schwer verstehen können. Selbst die Zeit läuft hier anders als außerhalb der Mauern. Zum Glück scheint die Zeit durch die Eintönigkeit schneller zu vergehen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass viele Gefangenen geistig stehengeblieben sind. Das merke ich zum Teil auch an mir selbst.

 

Herr Meiwes, ich bedanke mich für das Gespräch!